In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren
gegen
die Studentenschaft der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster,
vertreten durch den Allgemeinen Studentenausschuß, dieser vertreten durch
die Vorsitzende, Schloßplatz 1, 48149 Münster,
wegen Untersagung der Wahrnehmung eines allgemeinpolitischen Mandats;
hier: Vorläufiger Rechtsschutz
hat der 25. Senat des OBERVERWALTUNGSGERICHTS FÜR DAS LAND NORDRHEIN-WESTFALEN
am 6. September 1994 beschlossen:
Der Beschluß des Verwaltungsgerichts Münster vom 31. Mai 1994 wird
geändert.
Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig
für die Dauer der Mitgliedschaft des Antragstellers und bis zu einer rechtskräftigen
Entscheidung in der Hauptsache untersagt, politische Erklärungen, Forderungen
und Stellungnahmen abzugeben, die nicht spezifisch und unmittelbar hochschulbezogen
sind.
Zugleich wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld in Höhe
von 5,- DM bis 500.000,- DM angedroht.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 3.000,- DM festgesetzt.
Gründe:
Die Beschwerde ist begründet.
Das Begehren mit dem (sinngemäßen) Antrag,
der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig für
die Dauer der Mitgliedschaft des Antragstellers und bis zu einer rechtskräftigen
Entscheidung in der Hauptsache zu untersagen, politische Erklärungen, Forderungen
und Stellungnahmen abzugeben, die nicht spezifisch und unmittelbar hochschulbezogen
sind, und für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld anzudrohen,
hat Erfolg. Der Antragsteller erstrebt mit der beantragten Untersagung
vorbeugenden Rechtsschutz im Wege der einstweiligen Anordnung. Die Kumulation
beider zukünftige Gefährdungen betreffender Rechtsschutzformen ist
zulässig, wenngleich sie unterschiedliche Ziele verfolgen. Während
der vorläufige Rechtsschutz in der Regel auf eine rasche zwischenzeitliche
gerichtliche Regelung im Gegensatz zur endgültigen des Hauptsacheverfahrens
gerichtet ist und ihm damit eine Überbrückungsfunktion zukommt, setzt
sich der Rechtsschutzsuchende mit dem vorbeugenden Rechtsschutz bereits vor
der Realisierung bestimmter zukünftiger staatlicher Maßnahmen zur
Wehr; der nur potentiell Betroffene sucht das erwartete Verwaltungshandeln vorab
zu unterbinden.
1) Der das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers dokumentierende Antrag ist
hinreichend bestimmt und damit zulässig. Die Zulässigkeit des vorbeugenden
Unterlassungsantrages setzt voraus, daß das künftige Handeln der
Antragsgegnerin nach seinem Inhalt und seinen tatsächlichen wie rechtlichen
Voraussetzungen soweit bestimmt ist, daß eine rechtliche Prüfung
möglich ist. Er muß so klar sein, daß auf ihn, würde ihm
stattgegeben, eine verständliche inhaltlich genau abgegrenzte und ggf.
vollstreckbare Entscheidung ergehen kann. Ein Antrag, der diesem Formerfordernis
nicht genügt, ist unzulässig.
Vgl. BVerwG, Beschluß vom 6. September 1990 - 1 WB 70.89 -, Dokumentarische
Berichte, Ausgabe B, 1990, 309 f.
Der Antragsteller verlangt, daß die Antragsgegnerin nicht die Grenzen
ihres gesetzlichen Aufgabenbereichs überschreitet; er hat mit Blick auf
die gegenwärtig noch nicht bestimmbaren Verletzungen des auszusprechenden
Verbots einen Antrag formuliert, dessen weite Formulierung unvermeidbar ist.
Er umschreibt mit hinreichender Genauigkeit, was der Antragsgegnerin verboten
sein soll. Angesichts der Vielzahl möglicher Verstöße gegen
die noch näher darzulegende Beschränkung ihrer Kompetenz auf ein hochschulbezogenes
Mandat (vgl. § 71 Abs. 2, 3 Satz 3 UG) ist eine engere Umschreibung schlechthin
nicht möglich und deshalb auch nicht geboten. Denn das Gebot, "bestimmte"
Anträge zu stellen (vgl. § 82 Abs. 1 VwGO), darf nicht zur Versagung
des von Art. 19 Abs. 4 GG garantierten effektiven Rechtsschutzes führen,
wo sich der in der Zukunft liegende Regelungsgegenstand wegen seiner Unvorhersehbarkeit
in den Einzelheiten einer Auslegungszweifel vermeidenden und zugleich praktikablen
Umschreibung entzieht. Freilich verbietet das gleichfalls mit Verfassungsrang
ausgestattete Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG), einen Beteiligten dem
Risiko unberechenbarer Vollstreckung auszusetzen, wenn sich schlechthin nicht
bestimmen läßt, welche Verhaltensweisen sanktionsbewehrt sind.
Diese Gefahr droht hier nicht. Die verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe sind
einer Auslegung mit den üblichen Methoden so weit zugänglich, daß
die Antragsgegnerin die Möglichkeit hat, den Umfang des Verbots mit hinreichender
Klarheit zu erkennen.
Vgl. BVerfG, Beschluß vom 19. Februar 1992 - 2 BvR 321/89 -; OVG NW,
Beschluß vom 19. Januar 1989 - 15 B 1982/88 m.w.N. zu einem i.w.
wortlautidentisch formulierten Beschlußtenor, BVerfG, Beschluß vom
19. Februar l992 - 2 BvR 321/89 -.
2) Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (§123
Abs. 3 VwGO, §§920 Abs. 2, 294 ZPO). Der Unterlassungsanspruch ist
in den Grundrechten des Antragstellers begründet.
Vgl. OVG NW, Beschluß vom 19. September 1977 - V A 879/76 -, DVBl. 1977,
994, 996; Senatsbeschluß vom 10. November 1993 - 25 A 1237/92 -, NWVBl.
1994, 152.
Nach ständiger Rechtsprechung greift eine nicht unmittelbar auf
den Bereich der Hochschule und die spezifischen Interessen von Studenten begrenzte
politische Betätigung der Studentenschaft verfassungswidrig in den individuellen
Freiheitsbereich der Mitglieder ein. Das Abwehrrecht gegen staatlichen Organisationszwang
aus Art. 2 Abs. 1 GG ist nicht nur darauf angelegt, den einzelnen vor gesetzlich
nicht vorgesehener Mitgliedschaft in Zwangsverbänden zu bewahren. Es bewirkt
auch, daß ein legitimer Zwangsverband, wie die beklagte Studentenschaft
es ist, keine Angelegenheiten wahrnehmen darf, die nicht zum gesetzlichen Verbandszweck
zählen und weiter, daß der Gesetzgeber bei der Bestimmung der Verbandsaufgaben
höherrangiges Recht, namentlich also die bundesstaatliche Kompetenzordnung
beachtet. Der Pflichtverband muß außerdem hinsichtlich aller ihm
zugewiesenen Aufgaben dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
entsprechen, wenn ein Widerstreit der in der Verbandsbildung bestätigten
öffentlichen Gewalt mit dem allgemeinen Freiheitsrecht der Verbandsmitglieder
vermieden werden soll. Für die Studentenschaft folgt daraus, daß
sie als Zusammenschluß von Studenten Umfang und Grenzen ihres möglichen
Wirkungskreises in der Wahrnehmung studentischer Interessen findet.
Vgl. BVerfG, Beschluß vom 19. Februar 1992 - 2 BvR 321/89 -; BVerwG,
Urteil vom 26. September 1969 - VII C 65.68 -, BVerwGE 34, 69, 74, Urteil vom
13. Dezember 1979 - 7 C 58.78 -, Buchholz 421.2 Nr. 78; OVG NW, Urteil vom 19.
August 1968 - V A 608/68 -, OVGE 24, 105 ff., Urteil vom 19. September 1977
- V A 879/76 -, DVBl. 1977, 985, Urteil vom 30. August 1985 - 15 A 2809/83 -,
OVGE 38, 157, Beschluß vom 19. Januar 1989 - 15 A 1982/ 88 -; VGH Kassel,
Urteil vom 21. Februar 1991 - 6 UE 2498/90 -, NVwZ-RR 1991, 636, 638.
Das Verbot der Wahrnehmung des allgemeinpolitischen Mandats durch die Studentenschaft
hat seine einfachgesetzliche Ausprägung in § 71 Abs. 2, 3 UG gefunden,
der in bezug auf die Aufgabenzuweisung den rahmenrechtlichen Vorgaben des §
41 Abs. 1 HRG in der Substanz entspricht. Entgegen der Rechtsauffassung der
Antragsgegnerin enthält § 71 Abs. 3 Satz 1 UG keine normative Erweiterung
des Aufgabenkreises der Studentenschaft über die hochschulbezogene Interessenwahrnehmung
hinaus. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut und der Systematik des § 71
Abs. 2 und Abs. 3 UG. § 71 Abs. 2 Satz 2 UG spricht von den "Aufgaben"
der Studentenschaft und regelt sie im selben Absatz enumerativ. Kommt §
71 Abs. 2 UG damit der Charakter einer Aufgabenzuweisung zu, bedeutet schon
die systematische Ausgrenzung der in Absatz 3 Satz 1 angesprochenen Förderung
der politischen Bildung, des staatsbürgerlichen Verantwortungsbewußtseins
und der Bereitschaft zur aktiven Toleranz, daß es sich hierbei nicht um
eine weitergehende Aufgabe der Studentenschaft handelt. Dies gilt um so mehr,
als die im vorherigen Absatz verwendete Bezeichnung "Aufgabe" nicht
wieder aufgegriffen wird. Diese Sicht wird erhärtet durch §
71 Abs. 3 Satz 2 UG, der an die in Absatz 2 Satz 2 näher beschriebenen
"Aufgaben" der Studentenschaft anknüpft und mit der ausschließlichen
Zuweisung der allgemeinpolitischen Willensbildung an die studentischen Vereinigungen
an der Hochschule klarstellt, daß die Aktionsbreite der Studentenschaft
über den hochschulbezogenen Aufgabenkreis nicht hinausgeht. Das Postulat
in § 71 Abs. 3 Satz 1 UG, das sich im Rahmenrecht nicht findet,
vgl. dazu Leuze/Bender, Gesetz über die Universitäten des Landes
Nordrhein-Westfalen, § 71 Rdn. 13,
fügt sich in diesen (begrenzten) Aufgabenkreis der Studentenschaft insoweit,
als es als gesetzliche Zielvorgabe im Sinne eines übergeordneten Leitmotivs
in die Auslegung und Anwendung der der Studentenschaft gesetzlich zugewiesenen
Aufgaben einfließt, ohne sie gleichzeitig zu erweitern. Es ist Ausdruck
der politischen und gesellschaftlichen Sozialisation, die als Erziehungsprozeß
im Rahmen gesellschaftlicher Institutionen wie der Schule (vgl. Art. 11, 13
LV, § 1 SchOG) und der Hochschule sowie anderer gesellschaftlicher Organisationen
vermittelt wird.
Nur bei dieser aus seinem Wortlaut und Sinnzusammenhang folgenden Auslegung
steht § 71 UG im Einklang mit höherrangigem Recht. Denn die Vorschrift
hat das durch die Verfassung garantierte Recht des einzelnen zur freien Meinungs-
und Willensbildung zu respektieren, die sich frei, offen und unreglementiert
vollziehen muß. Dies wäre nicht mehr gewährleistet, wenn die
in den Publikationsorganen der Antragsgegnerin tätigen Verfasser als Funktionsträger
der Antragsgegnerin und damit im Namen der von ihr vertretenen Studenten ohne
Legitimation durch das spezifische gemeinsame Interesse, daß die Zusammenfassung
im Zwangsverband rechtfertigt, Meinungsäußerungen in Form von allgemeinpolitischen
Erklärungen äußern dürften, die auch jenen Mitgliedern
zugerechnet würden, die einen abweichenden Standpunkt haben. Die Einräumung
einer solchen Kompetenz an einen hoheitlichen Zwangsverband widerspräche
ferner dem grundlegenden Verfassungsprinzip, wonach sich die Willensbildung
im demokratischen Staatsgefüge vom Volk, d.h. vom einzelnen, den Parteien
und sonstigen auf freiwilligem Zusammenschluß und Zugehörigkeit basierenden
Organisationen zu den Staatsorganen vollzieht, nicht jedoch umgekehrt von den
Staatsorganen zum Volk hin. Das bedeutet, daß es der Studentenschaft als
Organ des Staates (§ 71 Abs. 1 Satz 2 UG) grundsätzlich verwehrt ist,
sich in bezug auf den Prozeß der allgemeinpolitischen Meinungs- und Willensbildung
der Studenten zu betätigen, daß dieser Prozeß also grundsätzlich
"staatsfrei" bleiben muß.
Einwirkungen öffentlich-rechtlicher Stellen auf diesen Prozeß sind
nur dann mit den vorbezeichneten Grundsätzen vereinbar, wenn sie
durch einen besonderen, sie verfassungsrechtlich legitimierenden Grund gerechtfertigt
werden können.
BVerfG, Urteil vom 19. Juli 1966 - 2 BvF 1/65 -, BVerfGE 20, 56, 98 f.
Damit sind Aufgaben gemeint, an deren Erfüllung ein gesteigertes Interesse
der Gemeinschaft besteht, das aber so geartet ist, daß es weder im Wege
privater Initiative wirksam wahrgenommen werden kann noch zu den im engeren
Sinne staatlichen Aufgaben zählt, die der Staat selbst durch Behörden
wahrnehmen muß.
BVerfG, Beschluß vom 18. Dezember 1974 - 1 BvR 430/65 und 259/66 -, BVerfGE
38, 281, 299.
Hierzu gehören Meinungsäußerungen, die hochschulspezifische
Fragen betreffen. Denn die Wahrung jener Gruppeninteressen ist der Studentenschaft
gerade aufgetragen, und ihre Wahrnehmung durch den die Gesamtheit der Studenten
vertretenden Kollektivverband gegenüber anderen staatlichen Organen ist
am effektivsten. Allgemeinpolitische Äußerungen hingegen können
und sollen nach der Wertordnung des Grundgesetzes gerade im Wege privater Initiative
erfolgen, und ein gruppenspezifisches Interesse "der Studenten" an
einer kollektiven Stellungnahme zu jenen sie wie alle Bürger betreffenden
Fragen gibt es nicht.
Jene verfassungsrechtlichen Vorgaben kehren im einfachen Bundesrahmengesetz
wieder. § 41 Abs. 1 HRG hat die Aufgaben der Studentenschaft verbindlich
auf die Wahrnehmung hochschulbezogener Belange beschränkt,
vgl. Hailbronner, Kommentar zum Hochschul-rahmengesetz, § 41 Rdn. 31;
Dallinger/Bode/ Dellian, Hochschulrahmengesetz, § 41 Rdn. 6; Leuze/Bender,
aaO, § 71 Rdn. 8,
und läßt dem Landesgesetzgeber für die Einführung eines
allgemeinpolitischen Mandates keinen Raum.
Allerdings folgt aus der Einbindung der Hochschulen in die Gesellschaft - wie
sie insbesondere in §§ 7 und 22 HRG und § 71 Abs. 3 Satz 1 UG
verdeutlicht wird -, daß zwischen hochschulbezogenen - mithin studentische
Gruppeninteressen unmittelbar berührenden - und allgemeinpolitischen Fragestellungen
fließende Übergänge bestehen und die Grenzziehung demzufolge
häufig schwierig ist. Wo die Grenze zu ziehen ist, mag sich jedenfalls
in dem lediglich auf eine summarische Prüfung angelegten einstweiligen
Anordnungsverfahren,
vgl. OVG Schleswig, Beschluß vom 30. Juli 1991 - 4 M 116/91 -, NVwZ-RR
1992, 387,
häufig nicht abschließend festlegen lassen.
Vgl. aber OVG NW, Urteil vom 19. September 1977 - V A 879/76 -, DVBl. 1979,
994, 997.
Die Grenze ist aber zweifelsfrei dort Überschritten, wo ein sachlicher
Bezug zur Hochschulpolitik weder erkennbar noch beabsichtigt ist.
Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Hochschulrahmengesetzes, BT-Drucks.
7/ 1328, zu § 44, S. 66; BayVGH, Beschluß vom 4. Juli 1988 - 7 CE
88.1824 -, WissR 22 (1989), 83, 85; Reich, Hochschulrahmengesetz, 4. Aufl.,
§ 41 Rdn. 2.
Eben dies ist hier mehrfach festzustellen. Die Antragsgegnerin hat ihre Befugnisse
mehrfach überschritten, und es ist auch zu erwarten, daß sie es in
Zukunft tun wird.
In den der Antragsgegnerin zurechenbaren, d.h. von ihr selbst oder ihren Mandatsträgern
in amtlicher Funktion gestalteten Medien finden sich Publikationen auch aus
der jüngsten Vergangenheit, die in keinem Zusammenhang mit der hochschulbezogenen
Interessenvertretung der Antragsgegnerin stehen. Die damit erfolgten empfindlichen
Eingriffe in das Grundrecht der individuellen Handlungsfreiheit des Antragstellers
drohen sich auch in nächster Zukunft zu wiederholen. Beispielhaft für
die erfolgten Verstöße gegen das Verbot der Wahrnehmung des allgemeinpolitischen
Mandats sind folgende Veröffentlichungen zu erwähnen:
Der Semesterspiegel Nr. 277, Januar 1994 (S. 7), enthält unter der Überschrift
"Bundesinnenminister Kanther verbietet "Arbeiterpartei Kurdistans"
PKK" ein Interview, in dem die Situation der kurdischen Bevölkerung
im allgemeinen und die der PKK im besonderen unter Beleuchtung der zwischenstaatlichen
Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der Türkei erörtert werden.
Die allgemeinpolitisch ausgerichtete Zielrichtung des von "Edo Schmidt
(liste unimut)" geführten Interviews wird durch seine einleitenden
Worte zu Beginn des Artikels sichtbar. Dort heißt es:
"Wenige Tage nach dem "Besuch" der türkischen Premierministerin
Tansu Ciller in Bonn ordnete Bundesinnenminister Manfred Kanther am 26.
November 1993 das Verbot der kurdischen Arbeiterpartei PKK in der Bundesrepublik
an. Ist die zeitliche Abfolge dieser beiden Ereignisse ein Zufall oder Zeichen
eines Deals zwischen der türkischen und der deutschen Regierung? Da in
den bundesdeutschen Medien dieser Frage kaum nachgegangen bzw. kaum Bedeutung
beigemessen wurde, und da die Hintergründe dieses Verbots in den Medien
sehr dürftig behandelt wurden, habe ich beschlossen, mich "woanders"
einseitig zu informieren. So suchte ich den Kontakt zu Menschen, die ständig
mit der Thematik zu tun haben. Dabei heraus kam das nachfolgende Interview mit
den beiden Exilkurden Cihan Özcan und Can Alptekin, die beide in einigen
politischen und kulturellen kurdischen Gruppen aktiv sind: ..."
Ebensowenig Bezug zu einer hochschulbezogenen Thematik weist der im Feuilleton
des AStA Magazins - Heft für subuniversitäre Kultur - von Holm Friebe
verfaßte Artikel "Wie ich mal bei der RAF war" (S. 6 ff.) auf.
In der Einkleidung nach Art einer Jugendstreichgeschichte erzählt der Verfasser
über die (frühere) personelle Führungsebene der RAF sowie über
Aktivitäten dieser Organisation, die unter anderem in der Ermordung von
Personen des öffentlichen Lebens mündeten. So wird z.B. die Ermordung
des damaligen Treuhand-Vorsitzenden Detlef-Carsten Rohwedder wie folgt dargestellt:
"Wir machten nur noch wenige Aktionen, nur noch die Sachen, die uns wirklich
wichtig waren. Detlef-Carsten zum Beispiel haßten wir, weil er total gut
in der Schule war, immer Einsen und Zweien schrieb und selbst Lehrer werden
wollte, eventuell sogar Professor. Bei Detlef-Carsten haben wir einmal nachts
einen Stein durchs Fenster geschmissen, der ihn sogar an den Kopf getroffen
hat, weil er wieder mal direkt hinterm Fenster am Schreibtisch über seinen
Büchern saß. Das hatten wir zwar nicht gewollt, aber leid tat es
uns auch nicht besonders."
Hiermit war eine dem AStA zurechenbare allgemeinpolitische Stellungnahme nicht
nur objektiv abgegeben, sondern ungeachtet des Rechtsstandpunktes der Antragsgegnerin
auch beabsichtigt. Dies bestätigt letztlich die Reaktion der Antragsgegnerin
auf die von dem Artikel ausgelöste erhebliche Kritik. Denn in einer vom
"Vorstand des AStA" unterzeichneten Stellungnahme in der Münsterschen
Zeitung vom 7. Juni 1994 heißt es zwar unter anderem:
"... 2. Der Artikel stellt keine politische Äußerung des Gesamt-AStA
dar, sondern Kunst im Sinne einer schützenswerten Form der privaten Meinungsäußerung."
Sodann wird aber wie folgt fortgefahren:
"... 5. Wie alle anderen Geschehnisse der deutschen Geschichte darf auch
das Thema Linksterrorismus satirisch bearbeitet werden. Leider ist auch heute,
in einer Zeit des explodierenden Rechtsterrorismus, immer noch ein Tabu, sich
über Linksterrorismus satirisch auseinanderzusetzen. Die öffentliche
Aufregung, die durch diesen Artikel entstand, zeigt deutlich, daß wir
uns mit der deutschen Geschichte noch intensiv beschäftigen müssen.
Da dies ein solcher Versuch war, verurteilen wir den Artikel nicht, sondern
akzeptieren seine Veröffentlichung im Rahmen der persönlichen Meinungsäußerung.
..."
Das Erscheinen im AStA-Magazin als Beitrag des Kulturreferates und die Zeichnung
durch das Redaktionsmitglied Holm Friebe löst den Artikel ungeachtet der
salvatorischen Klausel im Impressum, wonach die abgedruckten Texte "nicht
unbedingt" die Meinung der Redaktion wiedergeben, als Äußerung
des AStA erscheinen, mag der AStA auch nicht geschlossen hinter ihr gestanden
haben; dessen Selbsteinschätzung des Artikels als nicht politisch und persönliche
Meinungsäußerung ist angesichts dieser Fakten unerheblich.
Gleichfalls nur allgemeinpolitischen Charakter hat die im März 1994 erschienene
Abhandlung zur "UNO-Struktur und Friedenspolitik" in "Beiträge
zur internationalen Politik". Das Vorwort des "Referenten für
Frieden und Internationalismus" Jan Große-Nobis charakterisiert die
inhaltliche Ausgestaltung des Themas:
"Seit der Auflösung des Warschauer Paktes und dem daraus folgenden
Auflösen des Ost-West-Konflikts haben die Vereinten Nationen (United Nations
Organisation - UNO) erstmalig ihre Arbeitsfähigkeit erhalten. Seitdem erfreuen
sie sich allgemeiner Beliebtheit, vor allem in Bezug auf die sogenannten friedenserhaltenden
und friedensschaffenden Maßnahmen, ohne daß der Aufbau und die Struktur
des UN-Systems bekannt sind. Bekannt sind also nur die Ergebnisse, wie etwa
der Einsatz der Blauhelme in Cypern, Kambodscha oder Nah-Ost, aber nicht die
Interessen, die dahinterstehen oder auf welcher struktuellen Basis sie entstanden
sind. Im ersten Teil dieses Rea-ders wird also die Struktur der UNO beschrieben.
Im zweiten Teil, einer Dokumentensammlung, will ich einige interessante Beiträge
zur Struktur der UNO, zu Beispielen zur Kritik an den Blauhelmen, der NATO,
der WEU und der Rolle Deutschlands in Bezug auf UNO, NATO und WEU und einen
Artikel über eine vielleicht mögliche zivile Alternative der Friedensschaffung
bzw. -erhaltungen aus anderen, unbekannteren Zeitschriften und Broschüren
(vgl. Quellenverzeichnis am Ende des Readers) zur Diskussion stellen.
Also, ich hoffe, Ihr werdet diesen Reader interessant finden und, daß
er Euch bei der Meinungsbildung zu diesem Bereich behilflich ist.
Viel Spaß, Jan Große-Nobis (Referent für Frieden und Internationalismus)."
Es droht eine Wiederholung vergleichbarer Rechtsverstöße. Anhaltspunkte
für die Annahme, die Antragsgegnerin könne sich in Zukunft anders
verhalten als in der jüngsten Vergangenheit, gibt es nicht.
3) Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Zwar
wird vorbeugender vorläufiger Rechtsschutz nur in Ausnahmefällen gewährt,
und zwar dann, wenn es dem Rechtsschutzsuchenden nicht zugemutet werden kann,
die Rechtsverletzung abzuwarten. Dies ist allenfalls für die Fälle
anzunehmen, in denen schon die kurzfristige Hinnahme der befürchteten Handlungsweise
geeignet ist, den Betroffenen in seinen Rechten in besonders schwerwiegender
Weise zu beeinträchtigen.
Vgl. BVerwG, Beschluß vom 11. April 1972 - I WB 32.72 -, BVerwGE 43,
340 f.; OVG Lüneburg, Beschluß vom 13. Juli 1972 - VI OVG B 37/72
-, DVBl. 1972, 796; Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren,
3. Aufl., Rdn. 20, 482, 1133; Redeker/von Oertzen, VwGO, 11. Aufl., § 123
Rdn. 3a; Kopp, VwGO, 9. Aufl., § 123 Rdn. 26.
Es muß eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung
von Grundrechten des Antragstellers drohen, die über die Entscheidung in
der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, es sei denn, daß ausnahmsweise
überwiegende, besonders gewichtige Gründe entgegenstehen.
Vgl. BVerfG, Beschluß vom 25. Oktober 1988 - 2 BvR 745/88 -, DVBl. 1989,
36; OVG Berlin, Urteil vom 2. Mai 1977 - II B 2/77 -, NJW l977, 2283.
Das Begehren des Antragstellers genügt diesen (besonderen) Anforderungen.
Mit jeder weiteren drohenden Veröffentlichung der Antragsgegnerin zu allgemeinpolitischen
Themen droht jeweils ein erheblicher weiterer Eingriff in das Grundrecht des
Antragstellers aus Art. 2 Abs. 1 GG. Jeder Verstoß gegen das Verbot der
Wahrnehmung des allgemeinpolitischen Mandats ist ein das Grundrecht des Antragstellers
beeinträchtigender abgeschlossener Vorgang, der im Verfahren der Hauptsache
keiner Korrektur mehr zugänglich ist. Eine Verweisung auf das Hauptsacheverfahren
ist dem Antragsteller um so weniger zumutbar, als dessen Zugehörigkeit
zur Antragsgegnerin ihrer Natur nach vorübergehend ist. Dementsprechend
wird sie zu dem Zeitpunkt, zu dem eine Entscheidung in einem Klageverfahren
Rechtskraft erlangen könnte, entweder schon geendet haben oder doch kurz
vor dem Ende stehen. Für den Antragsteller entfiele im ersteren Fall das
Rechts-schutzbedürfnis und damit die Möglichkeit gerichtlicher Klärung
überhaupt. Im letzteren Fall wäre die Entscheidung für ihn praktisch
nutzlos. Unter den obwaltenden Umständen käme eine Entscheidung in
der Hauptsache zu spät; in anderer Weise als durch den Erlaß einer
einstweiligen Anordnung kann dem Antragsteller effektiver Rechtsschutz im Sinne
des Art. 19 Abs. 4 GG nicht gewährt werden.
Vgl. BVerfG, Beschluß vom 17. November 1972 - 2 BvR 820/72 -, BVerfGE
34, 160, 163.
Daß eine einstweilige Anordnung "nötig" ist, kann auch
nicht mit dem Argument geleugnet werden, dem Antragsteller sei es möglich,
sich von allgemeinpolitischen Stellungnahmen der Antragsgegnerin zu distanzieren.
Denn das Anliegen des Antragstellers erschöpft sich nicht darin, daß
er für seine Person eine Identifikation mit Verlautbarungen der Antragsgegnerin
vermeiden will - letzteres läge angesichts des auch in der Öffentlichkeit
bekannten Charakters der Antragsgegnerin ohnehin nicht nahe. Er will vielmehr
generell vermeiden, daß die Antragsgegnerin über ihren Aufgabenbereich
hinaus für die Studenten spricht. Abgesehen davon bliebe der eingangs erwähnte
Einwand die Antwort darauf schuldig, wie eine "Distanzierung" des
Antragstellers bei lebensnaher Betrachtung vonstatten gehen sollte. Über
die der Antragsgegnerin zu Gebote stehenden Medien und Geldmittel verfügt
der einzelne Student regelmäßig gerade nicht.
Die Androhung des Ordnungsgeldes beruht auf §123 Abs. 3 VwGO, §§
928, 890 Abs. 1, 2 ZPO, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EGStGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung
aus §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG.
Der Beschluß ist unanfechtbar, §152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs.
2 GKG.
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